„Nicht
nur für die Menschen, sondern mit den Menschen“.
Clara
Kuhle (8ms1) und Emma Stiepel (8m1) im Gespräch mit Jana Kästner, Koordinatorin
der Quartiersentwicklung Mitte-Ost in Braunschweig
Warum
hast du diesen Job gewählt?
Die
Quartiersentwicklung ist ein Arbeitsfeld, das ich total spannend finde. Es gibt
die Möglichkeit, mit allen Menschen zu arbeiten, die in einem Stadtteil leben.
Ich finde es unheimlich spannend, dass ich nicht einfach nur etwas für die
Menschen anbiete, sondern dass ich die frage und gemeinsam mit ihnen herausfinde,
was sie brauchen. Was wünschen sie sich, damit es ein besseres Miteinander im
Stadtteil geben kann, also im Quartier? Und was wünschen sie sich für andere
Lebensbedingungen dort? Das, was die sagen, also nicht jede einzelne, aber
insgesamt, ist dann die Grundlage dafür, was wir dann eigentlich auch umsetzen.
Da bringen sich dann die Menschen auch wieder ein. Und ich unterstütze und begleite
sie, das ist so meine Aufgabe. Aber letzten Endes haben die Menschen hier die
Möglichkeit, was es sonst recht wenig gibt und viele verlernt haben: selbst
sich einbringen zu können und entscheiden zu dürfen.
Was
macht dir an deinem Job am meisten Spaß?
Dass
es ganz abwechslungsreich ist, dass ich mit den unterschiedlichsten Menschen zu
tun habe. Wir starten gerade ein Projekt, da arbeiten wir an einem Spielteppich
zur Verkehrswende, wo die Kleinsten mitgestalten sollen. Die sollen ihr
Spielzeug selber mitentwickeln, das heißt, die entscheiden, was kommen für
Motive darauf. Wir haben Fotos gemacht, aber nicht diese klassischen
Sehenswürdigkeiten, das interessiert Kinder mit drei, vier, fünf Jahren nicht
unbedingt, sondern einen Pferdespielplatz, einen Eisstand, dann meinetwegen
auch einen Spielzeugladen, eine Bibliothek und einen Park. Und dann können die
entscheiden, welche von den vielen Motiven, die wir mitbringen, sollen da
drauf. Dann gibt es aber auch Projekte mit Senioren. Oder der Bunte Abend und der
Beste Reste Schmaus, wo wir mit geretteten Lebensmitteln kochen. Da kommen
wirklich vom Kind über Erwachsene bis zum Senior alle. Das finde ich ganz toll.
Und auch, dass eben Menschen dabei sind mit Behinderungen, dass welche dabei
sind, die eine Fluchtgeschichte erleben mussten. Und dass einfach die Menschen,
die hier leben, so wie sie sind, kommen können und gemeinsam in Kontakt kommen,
was sie sonst vielleicht nicht machen.
Ist
der Beruf ehrenamtlich?
Ich
bin hier angestellt, das heißt, ich arbeite hier hauptamtlich, bin Vollzeit
mittlerweile. Es gibt aber ganz viele Menschen, die sich hier ehrenamtlich
einbringen, also in den Projekten, die ich begleite, oder die einfach nur eine
Veranstaltung besuchen. Ich selber bin auch ehrenamtlich aktiv, aber das hier,
was ich jetzt mache, Quartiersarbeit, ist mein Hauptberuf.
Was
ist in deinem hauptberuflichen Kreis, wo du am meisten arbeitest?
Das
sind verschiedene Projekte. Womit ich mich am meisten befasse, ist
Partizipation. Dass die Menschen selbst Ideen einbringen und mitentscheiden,
was soll sich verändern im Quartier, und dann auch beteiligt sind, das
umzusetzen. Das ist der Kern meiner Arbeit. Und dann gibt es halt ganz
unterschiedliche Projekte dazu. Wir machen auch Unterschriftenaktionen. Im
Moment läuft eine für mehr Baumschutz. Wir haben auf diese Weise auch schon
Sitzbänke durchgekriegt. Es gibt den Beste-Reste-Schmaus, wo wir aus geretteten
Lebensmitteln etwas kochen. Es gibt den Bunten Abend, wo jeder einfach kommen
kann. Die Jüngsten sind neun, als sie anfingen waren die acht, die Älteste ist
über 70. Eine bringt uns ein syrisches Kinderlied bei. Die Zwillinge lesen uns
die Geschichte vom Pony auf dem Balkon vor. Die Nächste hat eine Geschichte,
die sie mal selbst geschrieben hat. Dann gibt es vielleicht noch ein Spiel.
Jeder bringt etwas mit und es geht nicht um einen Wettbewerb. Aber sich eben
auch nicht einfach hinsetzen und berieseln lassen. Sondern wirklich miteinander
etwas machen. Ganz unterschiedliche Generationen. Das macht richtig Spaß.
Mit
welche Aufgaben beschäftigt sich das Quartier Mitte-Ost?
Was
die Menschen brauchen. Das geht los mit Barrierefreiheit, was für ältere
Menschen und behinderte Menschen sehr wichtig ist. Es geht auch viel um
Klimaschutz, Klimaanpassung ist ein großes Thema. Wir haben zum Beispiel als
Idee eingebracht, dass die Stadt Hitzehilfetelefone für Senioren einrichten
soll. Wir machen uns dafür stark, dass besser Baumschutz kommen soll in Braunschweig
und vor allem hier im Quartier. Ich biete immer wieder Workshops an zum Thema
Klimaschutz. Wie geht es Menschen eigentlich damit? Wird das verdrängt? Macht
das eher Angst? Und wie kann man damit so umgehen, dass man ins Handeln kommt?
Also aktiv sich für Klimaschutz einsetzt. Wir haben auch schon eine Ausstellung
gezeigt zum Thema Klimakonsum und anderen Katastrophen, dazu begleitend
Workshops. Wir hatten eine Diskussion mit dem Klimaschutzmanager der Stadt
Braunschweig. Es geht aber auch einfach darum, Freizeitmöglichkeiten zu
schaffen, wo Menschen sich begegnen können, ohne etwas bezahlen zu müssen. Auch,
wer nicht so viel Geld hat, kann teilnehmen. Und auch dass Menschen
zusammenkommen, die sich vielleicht einsam fühlen. Mit welchen, die gute
Kontakte haben, Familien. Der Beste Reste Schmaus ist ein tolles Beispiel, wie so
eine Gemeinschaft entstehen kann. Also mit denen, die kochen und Lebensmittel
retten, und denen, die dann zum Essen kommen. Gleichzeitig passiert ganz viel
Ökologisches dabei. Weil wir ja durch das Retten von Lebensmitteln ganz viele
Ressourcen sparen. Wir kochen im Übrigen auch immer vegan oder vegetarisch. Viele
kennen das gar nicht so, gerade von den Älteren. Dann haben wir aber auch
wieder welche dabei, die schon selbst vegan leben und ganz begeistert sind. Dafür
zu sensibilisieren. Eine hat mal gesagt, sie war früher Weltmeisterin im
Wegwerfen von Lebensmitteln, und jetzt habe sie gelernt, was man selbst aus
Resten machen kann. Und es startet demnächst noch ein Gärtnerprojekt gemeinsam
mit dem Staatstheater. Auf dem Hof, wo die ihr Tanztheater haben, werden wir
gemeinsam gärtnern. Auch Gärtnern plus Kultur. Dass wir mal an der Probe teilnehmen können. Das
ist wieder offen für alle, die möchten.
Wo
kann man die Unterschriftenaktionen finden?
Die
gibt es einmal hier bei mir auf meiner E-Mail-Liste und ansonsten auf der
Ideen-Plattform der Stadt Braunschweig? Die kennen viele nicht, aber die
Ideen-Plattform ist eine Möglichkeit, wo jeder, der in Braunschweig lebt, einen
Vorschlag machen kann, was er sich wünscht, was geändert werden soll. Es muss
natürlich die Stadt Braunschweig zuständig sein, nicht das Land oder der Bund.
Dann muss man Unterschriften sammeln. Wenn man 50 zusammen hat, befasst sich
der zuständige Fachbereich damit. Die machen dann einen Vorschlag, sagen, das lässt
sich umzusetzen oder nicht, oder sie sagen, wir machen das, aber wir würden es ein
bisschen anders machen. Und dann geht, je nachdem, welches politische Gremium
zuständig ist, entweder in den Stadtbezirksrat, den Umweltausschuss, den
Mobilitätsausschuss oder, wie bei den Bänken erst in die Stadtbezirksräte, dann
noch in den Umweltausschuss. Dort wird darüber entschieden, ob es umgesetzt
wird, und wenn ja, wie. Das ist, denke ich, eine gute Möglichkeit, wo sich
Einwohner einbringen können. Manche denken halt, sie stellen es rein und dann
ist das so, passiert von alleine, dass man 50 Unterschriften bekommt. Das geht
meistens nicht. Sondern wenn, dann muss man halt aktiv sammeln. Ich verschicke
immer über die Newsletter diesen Link. Zusätzlich sammeln wir Unterschriften auf
Papier.
Wie
lange machst du das hier schon?
Hier
beim Deutschen Roten Kreuz bin ich seit Januar 2022 und hoffe, dass es noch
lange weitergeht. Das hängt auch davon ab, wie die Politik über diese
Nachbarschaftszentren entscheidet, ob die weitergehen und wie schnell. Vorher
habe ich schon vier Jahre bei Ambet.
Wie
viele Leute machen hier mit und in welcher Altersgruppe sind die?
Die
jüngsten sind drei und die ältesten über 80, alle Generationen, alle
Altersgruppen. Wie viele hier mitmachen? Das sind ganz schön viele. Manchmal
sind es nur zwei, wie bei diesem Verkehrswendeteppich, die aktiv mit mir das
machen. Das wäre gar nicht möglich in einer Gruppe von 20. Dann gibt es aber
auch Veranstaltungen. Beim Beste Reste Schmaus haben wir einen Saal voll, da
kommen 45. Bei Veranstaltungen, wo es zum Beispiel darum ging, wie wir die Stadt
gestalten wollen, eine Innenstadt, die lebendig ist und nachhaltig, was es dafür
braucht, da waren es um die 70, die dabei waren.
Wer
kam auf die Idee, die Quartiersentwicklung zu gründen?
Das
war der Wunsch der damaligen Vorständin, die mittlerweile im Ruhestand ist. Die
wollte gerne, dass das Deutsche Rote Kreuz auch mit Quartiersentwicklung
anfängt. Dann wurde ich gefragt, ob ich mir vorstellen kann, einen Förderantrag
zu schreiben, weil ich damit schon Erfahrung hatte. Dann habe ich einen
Förderantrag geschrieben und wir haben wir gestartet.
Das
Deutsche Roten Kreuz verbindet man oft mit ärztlicher Hilfe. Gibt es Gemeinsamkeiten
mit der Quartiersentwicklung?
Ja,
aber Deutsches Rotes Kreuz ist viel mehr. Der Kreisverband
Braunschweig-Salzgitter hat eine Vielzahl an Angeboten. Das geht von Kitas über
das Jugendrotkreuz bis zur sozialen Beratung, Krebsberatung, Beratung für
Menschen mit Behinderung in der sogenannten EUTB, er ergänzenden unabhängigen
Teilhabeberatung. Dann haben wir eine Schuldnerberatungsstelle, es gehört eine Begegnungsstätte
dazu, die Nachbarschaftshilfe, wo Ehrenamtliche in Haushalte von älteren
Menschen vermittelt werden, die Hilfe brauchen beim Einkaufen. Das ist eine
riesige Bankbreite, was das Deutsche Rotekreuz mittlerweile macht. Ich denke,
das Verbindende ist, dass man für die Menschen etwas tut und Gemeinschaft
schaffen will. Und bei mir ist so, dass ich sage, nicht nur für die Menschen, sondern mit den Menschen. Was alle Angebote
verbindet, ist, dass wir sagen, wir wollen diese Mitmenschlichkeit, aber eben
auch, dass wir unabhängig sind, wir sind für alle Menschen offen, egal, ob die
einer Religion angehören oder nicht. Gerade Menschen mit Fluchterfahrungen
haben manchmal schwierige Erfahrungen gemacht mit Religionen, mit religiöser
Verfolgung und dann kann das für die gut sein, so eine Neutralität zu haben.
Wie
bist du darauf gekommen, die Quartiersarbeit zu machen?
Weiß
ich nicht. Ich fand es einfach spannend, dass das so langsam in Deutschland an
verschiedenen Orten anfing. Mich hat immer dieser partizipative Ansatz gereizt,
dass Menschen sich einbringen können und aktiv mitentscheiden dürfen. Und auch,
dass es inklusiv ist, das heißt, alle Menschen, die dort leben, sind
angesprochen und keiner wird ausgeschlossen. Und dann auch noch, dass man
verschiedene Themen miteinander verbinden kann. Das Soziale und die ökologische
Nachhaltigkeit. Ich habe Soziale Verhaltenswissenschaften und
Erziehungswissenschaften studiert. Da ging es auch viel darum, wie verhalten
Menschen sich, was brauchen sie für eine Umwelt, wie gestalten sie diese Umwelt.
Was
war bisher das größte Projekt?
Gibt
es nicht. Die gehören alle irgendwie zusammen. Das macht gerade die Vielfalt
aus. Klar, es gibt ganz kleine Sachen und größere. Aber das eine ganz große
gibt es nicht. Wobei, doch, wir haben ein Projekt vor, das richtig groß werden
sollte. Wir wollen gerne eine Bibliothek der Dinge aufbauen. Die große
Herausforderung wird sein, einen Raum zu finden, der groß genug ist und so
wenig wie möglich kostet. Weil eine Bibliothek der Dinge nicht so viele
Einnahmen haben kann. In eine Bibliothek der Dinge kommt keine Kleidung und
keine Bücher rein, aber eine Bohrmaschine, ein Waffeleisen, Spielzeug,
Sportgeräte und ähnliches. Damit die Menschen sich das nicht kaufen müssen,
sondern leihen können, unabhängig davon, wie viel Geld sie haben. Und man spart
ganz viele ökologische Ressourcen. Nicht jeder braucht ständig die
Bohrmaschine. Man kann die sich auch teilen. Das ist eine ganz große Hoffnung,
dass wir das umsetzen.
Wer mitarbeiten oder mal reinschnuppern will: Quartiersentwicklung Mitte-Ost.